Keine Demokratische Legitimation – ACTA

ACTA hat etablierte multilaterale Foren wie WIPO und WTO umgangen, die auf demokratischen Prinzipien und Offenheit basieren und über klare Verfahrensgarantien verfügen. Speziell die WIPO wurde nicht in die Verhandlungen eingebunden, obwohl diese als demokratischer Körper für die behandelten Themen gegründet worden war. Das Abkommen wurde hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, unter Ausschluss der meisten Entwicklungsländer, sowie mit geringer demokratischer Rechenschaftspflicht auf UN-, EU- oder nationaler Ebene.
ACTA strebt die Schaffung einer neuen Institution an, den “ACTA Ausschuss”, ohne gleichzeitig die Garantien oder Verpflichtungen dieses neuen Gremiums für eine offene, transparente und integrative Arbeitsweise zu definieren, mit der es öffentlich überprüft werden könnte. Dieser nicht gewählte Ausschuss wird für die Umsetzung und Auslegung des Abkommens verantwortlich und sogar dazu in der Lage sein, ohne jegliche öffentliche Rechenschaftspflicht Änderungen an der Vereinbarung vorzunehmen, nachdem diese angenommen wurde.
Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” sprach von einer „Verhinderung der demokratischen Debatte“. Es wurde und wird befürchtet, dass das internationale Handelsabkommen einen Ausgangspunkt für die weltweite Durchsetzung von Internetsperren bedeuten könnte.

Gefahren für die Meinungsfreiheit und Zugang zu Kultur

  • Künstler haften für die Weitergabe ihrer eigenen angemeldeten Werke
  • Meinungsfreiheit, Datenschutz und Grundrechte werden Rechtsinhabern untergeordnet
  • Strafen und Risiko der Kriminalisierung für den Endverbraucher durch unklare Definitionen von Urheberrechten
  • Kriminalisierung des Endverbrauchers / Nutzers (z.B.: Eltern haften für ihre Kinder)
  • Endgültige Fassung des Abkommens ist noch nicht ratifiziert (EU-Parlament / Nationalrat)

Die Interessen der Rechteinhaber werden Meinungsfreiheit, Datenschutz und anderen fundamentalen Rechten übergeordnet.
ACTA legt die Regulierung der Meinungsfreiheit in die Hände privater Unternehmen, da das Abkommen Dritte, wie zum Beispiel Internet-Provider, dazu verpflichtet Online-Inhalte zu überwachen, deren Rolle es nicht ist, über Meinungsfeiheit zu bestimmen.
ACTA behindert den Nutzen des kulturellen Erbes unserer Gesellschaft, da es Strafen und kriminelle Risiken erhöht, sobald man Werke nutzen möchte, deren Eigentümer oder Rechteinhaber schwierig zu identifizieren oder zu lokalisieren sind (sogenannte “verwaiste Werke”).
Die endgültige Fassung des Abkommens, dessen Bedeutung nicht vor der Ratifizierung klargestellt wurde, ist unklar in seinen Definitionen. Zahlreiche Bürger werden für geringfügige Vergehen kriminalisiert. (z.B.: Eltern haften für ihre Kinder)

Fehlender Richtervorbehalt
Durch den fehlenden Richtervorbehalt wird das Recht auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf ein faires Verfahren umgangen. Ein Betroffener hat keinerlei Möglichkeit, Einspruch zu erheben, gegen falsche Anschuldigungen vorzugehen oder seine Unschuld zu beweisen (beispielsweise: WLAN gehackt oder öffentlicher Zugang).
Insbesondere stellt dieses ein Problem dar, da die endgültige Fassung des Abkommens, dessen Bedeutung nicht vor der Ratifizierung klargestellt wurde, vage ist und so ausgelegt werden könnte, dass Personen bereits für geringfügige Vergehen kriminalisiert werden. Auch die Begrifflichkeiten selbst sind vage und ungenau.
Dieser Eingriff in die rechtstaatlichen Prinzipien wird derzeit bereits in einschlägigen Foren diskutiert und findet vermehrt Eingang in die Medien.

Auswirkungen auf die Wirtschaft
ACTA drängt Internet-Provider zur Überwachung ihrer Netzwerke und zur Offenlegung persönlicher Daten der angeblichen Rechteverletzer. Anwälte und vermeintliche Urheberrechts-Inhaber in Europa, nutzen bereits entsprechende Gesetze, um Internetnutzer durch die Erhebung von Schadensersatz und Abmahnungen zur Kasse zu bitten, mit der Androhung von Gerichtsverfahren mit immensen Kosten und ungewissem Ausgang. ACTA bietet diesem Verhalten weiteren Vorschub.
Zur Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen im Internet auf internationaler Ebene wurde unter anderem angedacht, dass auch die Internetdienstanbieter für von ihren Kunden begangene Urheberrechtsverletzungen als “Störer” haftbar gemacht werden können. Dieser Verantwortung hätten sie sich nur entziehen können, wenn sie sich verpflichtet hätten, den Datenverkehr ihrer Kunden zu überwachen und ihnen unter Umständen den Internetzugang zu sperren.
Die Internetserviceprovider (kurz ISP) werden zur Auswertung, Ermahnung und zur Sperre nach dem Three-Strikes-Prinzip gegen ihre eigenen Kunden herangezogen, da sie ansonsten als Mitstörer haftbar gemacht werden könnten. Entsprechende Mehrkosten müssen getragen und vermutlich auf die Kunden umgelegt werden, was zu deutlich teureren Providertarifen führen würde und damit einen direkten negativen Einfluß auf den Markt nehmen würde.
Eine erhöhte Vermittler-Haftung würde Internet-Providern zum Aufbau einer Überwachungsstruktur ihrer Netzwerke und die vermehrte Verwendung eingreifenderer Mittel zur Identifizierung vermeintlicher Rechtsverletzer schaffen, wie z.B. großflächige Kommunikationsüberwachungen mithilfe von “Deep Packet Inspection”. Dadurch wird die Privatsphäre der Nutzer grob verletzt.

Hindernisse für Innovationen

  • Unbeabsichtige Urheberechtsverletzungen durch Softwareentwicklung (Parallelentwicklungen), die sich teilweise in rechtlichen “Grauzonen” bewegt, können hohe Geldstrafen und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen
  • Härtere Strafen könnten Unternehmensgründer abschrecken, die es sich nicht leisten können, Rechtsstreitigkeiten auzutragen.
  • Rechtliche Anforderungen können von kleinen Internet-Firmen wegen ihrer Größe nicht erfüllt werden. Dies führt zu Wettbewerbsverzerrung.
  • Herstellung von und Handel mit Generika werden unmöglich.

ACTA könnte einen abschreckenden Effekt auf Innovationen ausüben. Wenn man bedenkt, dass Innovationen, wie z. B. in der Softwareentwicklung, häufig in rechtlich nicht regulierten Bereichen entstehen, scheint es unvermeidlich, dass das ACTA-Abkommen neue digitale und andere industrielle Neuerungen hemmen wird, da Entwickler Angst vor hohen Geldstrafen und strafrechtlichen Maßnahmen in Fällen einer unabsichtlichen Verletzung des Urheberrechts haben müssen.
Das ACTA-Abkommen kann wettbewerbswidriges Verhalten fördern. Da Internetanbietern rechtliche Verantwortlichkeiten auferlegt werden, werden kleine Internet-Firmen nicht die Kapazitäten aufbringen können, um die rechtlichen Anforderungen erfüllen können, was größeren Firmen einen signifikanten Vorteil verschafft.

SCHLUSSFOLGERUNG
Das ACTA-Abkommen wird schwerwiegende Auswirkungen auf die österreichische Gesellschaft und Wirtschaft haben. Es besteht die Gefahr der Einschränkung von Meinungsfreiheit, Kultur und Innovationen. Die Intransparenz des Abkommens und dessen Verhandlungen innerhalb der EU, sowie das Abkommen selbst widersprechen dem demokratischen Grundgedanken und der Rechtstaatlichkeit der Republik. Auf der offiziellen Seite der EU findet man keine deutschsprachigen Informationen über das ACTA-Abkommen. Da stellt sich die Frage, wie so ein Abkommen mit gutem Gewissen unterzeichnet werden kann.
Die Arbeitsstudie des EU-Parlamentes empfiehlt, dass “eine uneingeschränkte Zustimmung eine unangemessene Reaktion des Europäischen Parlaments wäre, angesichts der Probleme, die in der jetzigen Fassung des ACTA-Abkommens identifiziert wurden”.
Wir fordern die europäischen Politiker dazu auf, die Auswirkungen des ACTA-Abkommens in vollem Umfang zu berücksichtigen.
Ohne weitere zufriedenstellende Zusicherungen und Klarstellungen seitens der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs, sollte der österreichische Sozialstaat das ACTA-Abkommen nicht vorzeitig unterzeichnen. Österreich darf nicht als Vorzeigemodell für andere Länder fungieren.

 

Was ist ACTA? (Video)

 

Weiterführende Links:

ACTA-Dokument (PDF,en)

„Erklärung von Bern” zu Generika

„digitale gesellschaft” mit einer Übersetzung einer Broschüre von Accessnow, EDRi und TACD

Österreichische EU-Abgeordnete zu ACTA

Resolution des EU-Parlamentes bzgl. Transparenz der ACTA-Verhandlungen

Rechtsgutachten des juristischen Dienstes des EU-Parlament (PDF, en)