Internationaler Tag der Privatsphäre – Politik will die Vorratsdatenspeicherung und ist selbst kamerascheu

Erneut fanden in der Landeshauptstadt Graz Aktionen zum Internationalen Tag der Privatsphäre statt. Während sich einige Aktivisten, unter anderem von Anonymous Austria, am Eisernen Tor zum Paperstorm trafen, startete die Piratenpartei die letzten Vorbereitungen um das Gespräch mit der Grazer Bevölkerung am Stadtfest zu suchen.

Eigentlich war ja ein Infostand am Eisernen Tor gedacht. Auch die dafür notwendige Zusage wurde vorab eingeholt. Jedoch wurde uns am 31.5.2013 die Absage erteilt. Als Grund wurde uns das stattfindende Stadtfest genannt. Die gesamte Innenstadt wäre für Aktionen, wie unsere, gesperrt, da kein Platz wäre. Umso erstaunter waren wir, als wir feststellen mussten, dass der von uns gedachte Platz vollkommen frei war. Aber gut, wir griffen zu Plan B und hatten schnell ein Ersatzprogramm.

kamerascheu idp13

Mit einem tragbaren Plakatständer, Bürgerinformationsmaterial und einem gehörigen Schuss Motivation starteten wir am Jakominiplatz mit der Suche nach gesprächsbereiten Bürgern. Hauptthema war neben der Vorratsdatenspeicherung, zu der es nach jedem Gespräch einen Flyer mit Basisinformationen gab, die Aktion „kamerascheu“ für die wir Unterschriften sammelten.


Was ist die Vorratsdatenspeicherung?

logoVDS

Die Vorratsdatenspeicherung ist seit 1.April 2012 in Kraft. Nein, das ist kein Aprilscherz. Zumindest kein besonders lustiger. Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie und speichert verdachtsunabhängig, unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung, die Daten aller Bürger für sechs Monate.

Hier findet man eine Information dazu, welche Daten genau gespeichert werden.

Allein die Einführungskosten zur Anschaffung der dafür benötigten Hardware betrugen laut „ARGE Daten“ rund 15 Millionen Euro. Hiervon tragen nur 20% die Telekommunikationsanbieter beziehungsweise deren Kunden. Die restlichen 80% werden vom Staat, also vom Steuerzahler, getragen.

Die laufenden Kosten für die Vorratsdatenspeicherung tragen die Bürgerinnen und Bürger mittels Steuergeldern. Somit bezahlen wir alle selbst für unsere eigene Überwachung, deren Nutzen laut „ARGE Daten“ sowie der Initiative für Netzfreiheit höchst fragwürdig ist. Daten aus Deutschland zeigen, dass die Aufklärungsquote durch die Vorratsdatenspeicherung lediglich um 0,006% gesteigert werden konnte.

Nach einer Studie des Bundeskriminalamts vom November 2005 konnten in den letzten Jahren 381 Straftaten wegen fehlender Telekommunikationsdaten nicht aufgeklärt werden. Diese 381 Fälle machten allerdings nur 0,006% der 6,4 Mio.  jährlich begangenen Straftaten aus. Laut Kriminalstatistik blieben Jahr für Jahr 2,8 Mio. Delikte aller Art unaufgeklärt. Vor diesem Hintergrund sei nicht einzusehen, warum gerade die Nutzer von Telefon, Handy und Internet überwacht werden sollten, zumal die Aufklärungsquote in diesem Bereich schon ohne Vorratsdatenspeicherung überdurchschnittlich hoch sei.

Quelle: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/CD/CD_1.0/hintergrund.html

Auch in Dänemark kommt das Justizministerium zu dem Schluss, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht sonderlich hilfreich ist, wie, unter anderen, heise.de berichtet.

Der Verein netzfreiheit.org hat einen Bericht zur „Analyse der tatsächlichen Sicherheit der Vorratsdaten“ am 23.11.2012 veröffentlicht.


Was ist Kamerascheu?logokamerascheu

Wie wir bereits am 22.März 2013 berichtet haben. Fordert die Piratenpartei in ihrem Parteiprogramm die Live-Übertragung von Audio- und Video-Streams aus den Nationalrats-,  Landtags- und Gemeinderatssitzungen und Ausschüssen über das Internet.. Ebenso findet sich in diesem Artikel aus dem März die Vorgeschichte zu dem konkreten Fall in Graz. Seit 2007 wurde immer wieder versucht einen Live-Stream aus dem Grazer Gemeinderat zu senden.

Nachdem der Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl, jedoch meinte:

„Oft ist es ohnehin besser, wenn die Grazer nicht wissen, wie im Gemeinderat wirklich agiert wird.“,

scheint es so zu sein, dass es gar nicht gewollt wird, dass die Bevölkerung von Graz, auch nur annähernd in die Nähe, des gleichen Genusses der Teilhabe am politischen Geschehen  kommt, wie das im Landtag Steiermark, der Bundeshauptstadt Wien oder den Landeshauptstädten Linz und Salzburg der Fall ist.

Der Vertreter der Piraten im Gemeinderat Graz hat einen dringlichen Antrag eingebracht. Dieser wurde durch einen Abänderungsantrag, den man auf der letzten Seite findet, der ÖVP aufgeschoben. Nagls Stabilitätspakt hat anscheinend absolut kein ernst zu nehmendes Interesse an diesem Thema.

Daher haben sich Piraten rund um kamerascheu.at dazu entschlossen neben der Online Petition auch auf die Straße zu gehen um die Menschen darauf anzusprechen und Unterschriften zu sammeln, welche dem gesamten Grazer Gemeinderat durch den Vertreter der Piratenpartei vorgelegt werden.


Das Sammeln der Unterschriften für „kamerascheu“ war stets von einem persönlichen Gespräch mit Personen aller Altersgruppen begleitet. Ein Pirat hat sich bereit erklärt die Gespräche ein wenig zu dokumentieren um ein Bild davon zu bekommen wer die Unterstützer dieser Aktion sind. Männer? Frauen? Jung? Oder Alt?

Es waren zwischen 11:00 und 16:00 (wobei rund eine Stunde als Pause wegfällt) 51 Personen bereit mit uns ein persönliches Gespräch zum Thema zu beginnen. Die Gespräche fanden alle am Jakominiplatz, in der Herrengasse oder am Hauptplatz in Graz statt. Interessant ist besonders die Tatsache, dass unter den 51 Personen keine Person war, die politisch interessiert war und diese Forderung ablehnte.

fürwidermw

Es waren insgesamt 28 Personen die unsere Forderung befürworteten. Unter den Befürwortern waren 2 Personen die noch nicht volljährig waren und daher auch nicht unterschrieben haben. 4 weitere Personen gaben an die Aktion grundsätzlich zu unterstützen, würden jedoch zuvor noch gerne im Internet recherchieren und per OnlinePetition die unterstützende Unterschrift leisten.

alter

Jeder Bürger hat das Recht, zu wissen, was im Gemeinderat vor sich geht. Es ist unverständlich warum das bei uns nicht geht.

-meinte ein Befürworter am Hauptplatz.

Es wundert mich, dass das in Graz nicht möglich ist. Es müsste doch genügend Geld da sein. Soviel kann das ja nicht kosten.

-wundert sich eine Dame in der Herrengasse.